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Flüchtlinge an der FAU – Ein Austausch mit Frau Dr. Perlick, Leiterin des Referats für Internationale Angelegenheiten | Teil 2

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Geflüchteten-Kurs A1.1 im Stockwerk unter Frau Dr. Perlicks Büro. (Foto: Anna Appel)

Geflüchteten-Kurs A1.1 im Stockwerk unter Frau Dr. Perlicks Büro. (Foto: Anna Appel)

Frau Dr. Perlick hat bestimmte Vorstellungen. Und die nimmt man sehr ernst, wenn man ihr ein paar Minuten lang zuhört. Der Austausch innerhalb der verschiedenen Stadtorganisationen, die sich um Flüchtlinge kümmern, habe sich verbessert und müsse weiterhin verstärkt werden. Die gegenseitige Information stelle einen sehr wichtigen Punkt in der Flüchtlingsarbeit dar.

Innerhalb der FAU seien eine bessere Bereitstellung von Räumlichkeiten und Organisationskräften nötig. Die Uni solle sich fragen, wie sie an mehr qualifizierte Deutschlehrer herankommen könne und wie sie Flüchtlinge, aber auch generell Studienbewerber aus dem Ausland, deren Abitur aus der Heimat bei uns keine ausreichende Qualifikation darstelle, besser zur Studierfähigkeit bringen könne. Es gebe auch häufig den Fall, dass ein Zeugnis aus den verschiedensten Gründen unvollständig sei oder fehle. Dann müsse man kreativ sein und eine Plausibilitätserklärung erarbeiten, die auf andere Art beweisen könne, wie der Bildungsstand des Flüchtlings aussehe. Um Jobkenntnisse ohne Zeugnis vorzuweisen, eigne sich am besten ein Praktikum in einem entsprechenden Betrieb. Eine genauere Einschätzung der beruflichen Fähigkeiten einer Person gebe es nicht.

Eine konkrete Idee von Frau Dr. Perlick ist die Einrichtung eines Studienkollegs in Nürnberg, wo die Flüchtlinge für ein Studium an der FAU qualifiziert werden sollen. Darüber hinaus schlägt sie vor, das verpflichtende Praxispraktikum für angehende Deutschlehrer mehr in den Bereich der Bildungsprogramme für Flüchtlinge zu integrieren und die Referendare so gleichzeitig als Lehrer für Deutsch als Fremdsprache zu qualifizieren. Für weitere Neuerungen seien vor allem die Ideen von Studenten wichtig, da junge Menschen sich natürlich am besten in andere junge Menschen hineinversetzen könnten. Ein gemeinsames Üben, ein fachspezifischer Anschluss sei das, was die Flüchtlinge suchen würden.

Frau Dr. Perlick schwebt vor, sich hierfür das Internet zu Nutze zu machen und (vielleicht in Facebook) eine Suche-Biete-Plattform einzurichten, über welche Flüchtlinge an andere Studenten vermittelt werden könnten. Auch die inländischen Studenten sollten hier ihre Wünsche äußern, denn auch sie könnten von den Flüchtlingen profitieren. Für die Umsetzung dieser Idee braucht Frau Dr. Perlick Studenten, Menschen, die sich mit solchen Plattformen tagtäglich auseinandersetzen. Ein weiteres Anliegen sei es, mehr Frauen in die Deutschkurse zu bringen. Diese nähmen weit weniger daran teil als männliche Flüchtlinge. Allgemein sei ein nachhaltiges Agieren mehr denn je von Nöten. Auch ein Toleranztraining solle eingeführt werden – eigentlich für alle. Und die interkulturelle Kommunikation müsse vorangetrieben werden, was wiederum alle Menschen betreffe. Denn die Flüchtlinge sollten zwar die deutsche Sprache lernen, aber auch wir müssten lernen, die Flüchtlinge zu verstehen – vielleicht nicht in ihrer Muttersprache, aber in ihren Verhaltensweisen und mit ihren Anliegen und Bedürfnissen.

All die Aufgaben, die sich uns stellen, bieten auch riesige Chancen. Durch schnelles Handeln und sofortiges Umsetzen von Ideen, ohne welches das Projekt für Flüchtlinge an der FAU nicht bestehen würde, könne man allgemein lernen, Bürokratie abzubauen. Die Bürokratie sollte laut Frau Dr. Perlick entschlackt werden. Flexibilität von Abläufen und im Denken sei notwendig und fordere Kreativität. Das Angebot der Uni sei durch das Projekt bereits differenzierter geworden; es gebe mehr Optionen. Dies betreffe alle. Auch das Schnupperstudium solle in Zukunft für alle Interessierten angeboten werden, auch für Einheimische. Neue Projekte sollten nicht vorher durchstrukturiert werden, sondern durch die Erfahrung wachsen, die man durch die Arbeit an ihnen selbst sammle.

So erlebt es Frau Dr. Perlick momentan und sie fühlt sich sehr gut dabei. Natürlich gibt es auch Probleme. Das ist normal und bei jeder neuen Aufgabe der Fall. Die Sortierung der Flüchtlingsakten nehme sehr viel Zeit in Anspruch. Auch das neu entwickelte Buddy-Programm für Flüchtlinge stellte Frau Dr. Perlick vor eine enorme Herausforderung. Die ganzen Semesterferien lang arbeitete sie an diesem Programm, bis zur Erschöpfung. Der Raum für das geplante Treffen, bei dem die Zusammenführung von Flüchtling und Buddy stattfinden sollte, war zu klein. So viele Studenten der FAU wollten sich gerne engagieren. Beim Treffen von Flüchtlingen und Buddys komme es natürlich auch zu Missverständnissen und Verständnisproblemen, wie das eben ist, wenn fremde Kulturen aufeinandertreffen und das Beherrschen der Sprache des jeweiligen Gegenübers so eine Sache ist.

Ein persönliches Anliegen sei es Frau Dr. Perlick, dass in einer Ehe oder Beziehung lebende, weibliche Flüchtlinge eine Arbeit aufnehmen könnten, wenn diese bessere Berufschancen als ihre Partner hätten. Dies werde aufgrund der kulturellen Unterschiede oft nicht als Möglichkeit angesehen, wobei es nicht selten der Fall sei, dass weibliche Flüchtlinge einen besseren Bildungsstand oder bessere Qualifikationen hätten.

Wie fühlen sie sich eigentlich, die Flüchtlinge? Im Feriensprachkurs der letzten Semesterferien wurden Flüchtlinge mit Erasmus- und anderen Austausch-Studenten in den Kursen gemischt. Bei den Flüchtlingen spüre man, so Frau Dr. Perlick, eine gewisse Ernsthaftigkeit, Tragik, Tiefe, die in Konfrontation mit anderen jungen Menschen mitunter ein Konfliktpotential darstellen könne. So hätten die Flüchtlinge die Erasmus-Studenten darauf hingewiesen, doch bitte ihre Hausaufgaben zu machen und betont, dass sie wirklich etwas lernen wollten. Dagegen sei ihnen das Partyfeiern fremd und eher unangenehm gewesen. Die Erasmus-Studenten hingegen wunderten sich über den enormen Eifer der Flüchtlinge und meinten, sie selbst seien doch gerade wegen Partyfeiern und solchen Vergnügungen nach Deutschland gekommen. Dazu muss man betonen, dass die Flüchtlinge und die Erasmus-Studenten vom Stand des jeweils anderen meist nichts wussten.

Insgesamt habe der Feriensprachkurs trotzdem von beiden Seiten ein gutes Feedback bekommen. Die Konfrontation habe laut Frau Dr. Perlick bei vielen Erasmus-Studenten zu Nachdenklichkeit und einer gewissen Reife geführt. Solch sensible Strukturen erkennt man nur bei einem so mutigen Projekt. Auch in den Gesprächen mit Flüchtlingen falle Frau Dr. Perlick vor allem deren extreme Zielgerichtetheit auf. Sie wollen schnell in einen Beruf und so in Sicherheit kommen. Das Interesse für die Fächer der Philosophischen Fakultät ginge gegen null, wohingegen etliche, sehr gute Naturwissenschaftler in ihr Büro kämen, vor allem Physiker. Die Flüchtlinge, die an die FAU kommen, haben Qualitäten.

Anna Appel


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