Wie können religiöse Menschen an der Universität ihren Glauben leben? Inwieweit muss – oder darf – die weltanschaulich neutrale Universität den Studenten und Mitarbeitern Möglichkeiten geben, ihre Religion frei auszuüben? Über diese und andere spannenden Fragen diskutierten Professoren verschiedener Disziplinen, Studierende und Hochschulseelsorger am Fachtag „Religiosität als Teil der Hochschulkultur“. Eingeladen hatten die Hochschulgemeinden ESG und KHG Erlangen und Nürnberg sowie Pfarrerin Isolde Meinhard vom Hochschulpfarramt der FAU. Sie sehen angesichts der zunehmenden religiösen Vielfalt an der FAU einen großen Bedarf, Standpunkte für den Umgang mit Religiosität zu klären. Peter Bubmann, Professor für Praktische Theologie merkte an, dass die Universität das Thema erst entdeckt habe. „Bisher gibt es keine klare Position der FAU“. Umso wichtiger war der Fachtag.
Äußere Kennzeichen muslimischen Glaubens an der Uni
Ebru Tepecik vom Büro für Gender und Diversity machte in einem Kurzreferat klar, dass es sich bei Religion um eines der sechs Diverstiy-Kernelemente handle. Durch die steigende Zahl internationaler Studenten und neuer Studiengänge wie Islamische Theologie werde die Thematik immer wichtiger. Gerade die Frage nach einem Gebetsraum sei für muslimische Studierende sehr drängend. Das bestätigte Sandra Heuser, Leiterin der Abteilung II der Universitätsbibliothek (UB). „Wir sehen oft, wie muslimische Studenten in unwirtlichen Ecken beten. Die UB bietet sich wohl wegen der Ruhe und der langen Öffnungszeiten dazu an“, erzählte sie. Wirklich befriedigend sei das nicht. Dieser Ansicht ist auch Jörn Thielmann vom Erlanger Zentrum für Islam und Recht in Europa (EZIRE). „Es ist eine Frage der Würde“, sagte er. Außerdem seien die deutschen Toiletten für die muslimischen Reinigungsvorschriften nicht ausgelegt. „Wenn sich da zehn oder fünfzehn Leute gewaschen haben, kann die Putzkolonne anrücken, sonst rutschen die Leute aus. Das schafft Konflikte“, ist er sicher. Prof. Dr. Maha El-Kaisy Friemuth vom Department für Islamisch-religiöse Studien (DIRS) bekommt diese Probleme ihrer muslimischen Studenten hautnah mit. „Als islamische Theologie stehen wir ganz am Anfang und müssen gemeinsam mit unseren Studenten Orientierung finden, welche Rolle die äußerlichen Merkmale unseres Glaubens spielen“, erklärte sie den vorwiegend christlichen Gesprächspartnern.
Auch Christen haben Schwierigkeiten
Doch auch christliche Studierende konnten von Probleme berichten. Beispielsweise ist es für die anerkannte Hochschulgruppe SMD nicht möglich, Räume der Uni für Vorträge mit anschließender Diskussion oder Theaterabende zu bekommen. Grund: Parteipolitische und religiöse Veranstaltungen werden nicht genehmigt. Doch ab wann ist eine Veranstaltung religiös? Darüber gibt es unterschiedliche Vorstellungen, gerade innerhalb der verschiedenen Religionen. Deshalb brachte der Religionspädagoge Manfred L. Pirner den Vorschlag ein, Richtlinien zu entwickeln, was als (akzeptable) religiöse Veranstaltung gilt.
Religion fördern – eine Marketingmaßnahme?
Religion muss jedoch nicht immer als mögliches Konfliktfeld verstanden werden. Als Teil der Kultur und des Bildungskanons habe sie ihren Platz im universitären Leben, sagte Bubmann. Er plädierte dafür, an der Universität Foren für einen Austausch an religiösen Ansichten zu schaffen. Dagegen war Rudolf Kötter vom Zentralinstitut für Angewandte Ethik und Wissenschaftskommunikation (ZIEW) der Meinung, dass der Ist-Zustand genüge. „Die Universität darf Religion keinen breiteren Raum als bisher bieten. Jede besondere Förderung von Religion ist eine Haushaltsverschwendung“, sagte er. Kötter schlug vor, dass eventuelle Gebetsräume von den muslimischen Gemeinschaften bereitgestellt werden sollten. Das sehen englische Hochschulen anders, berichtete Pfarrerin Jutta Müller-Schnurr. Sie war bis 2006 Chaplain in Bristol. Dort sind die Chaplains (Kaplane) Teil der „Student services“ auf dem Campus sehr präsent für „students and staff“. „2004 haben wir ein multi-faith-concept entwickelt. Zu unserem überkonfessionellen Team kam ein muslimischer Chaplain hinzu, einen jüdischen gab es bereits. So feierten wir statt einen Semesteranfangsgottesdienst eine multireligiöse Feier“, erzählte sie. Sie machte darauf aufmerksam, dass das Bemühen einer Universität, religiösen Bedürfnissen nachzukommen, ein Aushängeschild sein kann – insbesondere im internationalen Wettbewerb. „Wir sind als ganze Persönlichkeit an der Universität“, erinnerte Müller-Schnurr. Bei einigen gehöre der Glauben im Alltag einfach dazu.
Ziel: Eine religions- und weltanschaulich sensible Hochschule
In Gesprächsrunden sammelten die Teilnehmer am Ende des Fachtags konkrete zukünftige Schritte. Sie stellten fest, dass Religion ähnlich wie die Genderfrage ein Thema innerhalb des wissenschaftlichen Diskurses sein sollte. Der Dialog zwischen den religiösen Hochschulgruppen soll ausgebaut werden und Multireligiosität als gesamtgesellschaftliche Aufgabe in Angriff genommen werden. So wird möglicherweise der Wunsch von Prof. Pirner eines Tages wahr: Ein Zertifikat, das der FAU bescheinigt, eine religions- und weltanschaulich sensible Hochschule zu sein.