Ihr wundert euch darüber, das in einem Blog zu lesen, der von jungen Studierenden geführt wird? Ihr fragt euch, warum ihr euren Samstagabend im Theater und mit Schiller verbringen solltet? Während meiner Hospitanz am Schauspiel des Staatstheaters Nürnberg durfte ich die Produktion „Wilhelm Tell“ von der ersten Probe an bis zu den Hauptproben begleiten. Die Frage, warum es sich lohnt, sich heute noch mit Schillers „Wilhelm Tell“ auseinanderzusetzen, kam auch mir beim ersten Durchlesen des Klassikers in den Sinn. Was haben wir heute mit dem mittelalterlichen Volk der Schweizer gemeinsam? Was geht uns dessen Umgang mit Fremdherrschaft und Unterdrückung an?
Volker Schmalöers Inszenierung versucht nicht, sich eine Antwort zurecht zu biegen, sondern findet Antworten in Schillers Text selbst. Schillers poetische und oft als pathetisch empfundene Sprache wird entkernt, statt durch eine modernere ersetzt zu werden, sodass wir uns mit ihr selbst identifizieren können. Eine kritische Reflexion unserer eigenen Gesellschaft scheint durch die Inszenierung hindurch und das traditionelle Stück „Wilhelm Tell“ wirkt auf einmal aktueller denn je. Bühne, Kostüme, Licht, Ton… Auch die anderen an der Produktion beteiligten Künstler haben dafür gesorgt, dass die Premiere von „Wilhelm Tell“ am Samstagabend garantiert ein abwechslungsreiches und spannendes Ereignis wird. Es sind noch Plätze frei. Außerdem könnt ihr bei der Premierenfeier im Anschluss an die Aufführung dabei sein und den Abend an der Bar im Theaterfoyer ausklingen lassen.
Premiere „Wilhelm Tell“: Samstag, 4. Juni 2016, 19.30 Uhr, Schauspielhaus Nürnberg
Karten und alle weiteren Infos findet ihr hier.
Viel Spaß
Was macht man als Hospitant*in der Dramaturgie des Schauspiels?
Ein Praktikum zu absolvieren, ist an sich nichts Ungewöhnliches mehr unter Studierenden. Ein Praktikum am Theater hingegen ist ziemlich außergewöhnlich und speziell. Neben den täglichen Probenbesuchen zu „Wilhelm Tell“ durfte ich einen Einblick in die Arbeit des Chefdramaturgen des Schauspiels (Horst Busch) bekommen. Noch vor der ersten Probe trafen wir uns, um eine Materialmappe für die Schauspieler zusammenzustellen. Diese brauchen das notwendige Hintergrundwissen zu Stück und Autor sowie eine Kontextualisierung in Bezug auf die Rezeptionsgeschichte des Stücks und das aktuelle Weltgeschehen. Zu Beginn der Produktion standen also Recherchieren und Lesen im Vordergrund. Dramaturg und Regisseur hatten zu diesem Zeitpunkt schon einige Gespräche hinter sich und eine erste Strichfassung des Stücks (Textfassung, in der Szenen/Abschnitte/Sätze gestrichen sind) erstellt. Diese musste der Dramaturg während der Probenzeit ständig aktualisieren, damit das Produktionsteam mit dem passenden Text arbeiten konnte.
Gerade in den ersten Proben gab es von Seiten der Schauspieler und des Regisseurs einige Fragen an Schillers komplexen Text. Die Aufgabe des Dramaturgen war es, diese Fragen zu beantworten sowie mögliche Widersprüche von Text und Inszenierung aufzuspüren und zur Diskussion zu stellen. In der Anfangsphase der Produktion galt es, weiter zu recherchieren und das Stück neu zu befragen und zu kontextualisieren. Hinweise von Regisseur und Dramaturg halfen den Schauspielern dabei, das Stück immer wieder in einem anderen Licht zu betrachten. Dabei galt es für den Dramaturgen vor allem, den Blick des Zuschauers einzunehmen und die Inszenierung von außen zu beschreiben und zu bewerten.
Während ich als Hospitantin sehr viele Proben besuchte und daneben vor allem mit Rechercheaufgaben und Korrekturlesen beschäftigt war, verbrachte der Dramaturg einen Großteil der Zeit auf Sitzungen, mit Gesprächen oder anderen organisatorischen Aufgaben. An einem so großen Haus wie dem Staatstheater gibt es für den Dramaturgen immer etliche Aufgaben zu erledigen. Er ist gewissermaßen die Schnittstelle zwischen Theaterleitung und Produktion und zu Verlagen und Publikum. Spielplangestaltung, Besetzung, Abenddienst bei Vorstellungen, redaktionelle Arbeiten, Programmheftgestaltung, Festival-Planung und viele weitere Aufgaben erwarten ihn tagtäglich.
Zusammen mit Horst Busch durfte ich einen Artikel zur Produktion „Wilhelm Tell“ für die monatliche Theaterzeitung erarbeiten. Auch die Einführungs-Matinee zur Tell-Inszenierung galt es gemeinsam vorzubereiten. Die letzte große Aufgabe bestand in der Programmheftgestaltung: Texte, Zitate, Fotos mussten ausgewählt und passend zusammengestellt werden. Für mich war es faszinierend und spannend, einen Einblick in die Struktur des Staatstheaters zu bekommen. Und auf den Dramaturgen, die Schauspieler, die Techniker usw. wartet schon die nächste Produktion. Nach der Premiere ist vor der Premiere!