
Die Antikensammlung der FAU ist die drittgrößte Sammlung ihrer Art in Bayern. Foto: Christine Hetterle
500 Gipsabgüsse, ca. 8000 Originale und rund 40000 Fotografien machen die Antikensammlung der FAU mit Originalen aus der antiken Keramik und Kleinkunst zur drittgrößten Sammlung in Bayern. Die Stücke und die Atmosphäre sind beeindruckend, aber das Staunen allein steht nicht im Mittelpunkt – sondern das Lehren.
Kustos der Sammlung ist Dr. Martin Boss, der seit 1991 an der FAU forscht und lehrt. In einer privaten Führung erzählt er mir von den Anfängen der antiken Kunst: „Damals glaubte man, griechische Kunst sei vorbildlich – der Grieche ist edel und gut, weil er Philosophie betreibt, deswegen sei er auch äußerlich schön. Wenn man sich nun mit der griechischen Kunst beschäftigt wird man selber edel und gut“, glaubte man zumindest in früheren Zeiten. Der Gedanke der „edlen Einfalt und stillen Größe“ zählte zum studium generale – heute ist dieser überholt, die Wissenschaft ist in eine andere Richtung gegangen. „Das hervorragendste Lehrmittel, das durch nichts geschlagen wird sind die Gipsabgüsse. Man kann sie anfassen, sie bewegen und drehen, von allen Seiten betrachten und studieren. In Museen kann man das in den meisten Fällen nicht“, so Dr. Boss. Damals, so erzählt er mir, war es nicht üblich, dass Archäologiestudenten an Anschauungsobjekten gelernt haben, weil diese in Regalen und Schränken verstaut waren. Man lernte anhand von Bildern oder Fotografien, mit Büchern und Schriften.
Kein Museum, sondern eine Lehrsammlung
Für leidenschaftliche Archäologen muss das sehr ernüchternd gewesen sein. Hier liegt auch der Ursprung der eigentlichen Funktion der Sammlung: Sie soll kein Museum sein, sondern eine Lehrsammlung: „In Deutschland gibt es mehrere Universitäten, die ihre Sammlungen zu einem Wissenschaftsmuseum zusammengefasst haben. Das sieht zwar schick aus, lockt Besucher an, aber mit den Objekten geschieht nichts mehr. Auf lange Sicht ist das der Tod jeder Sammlung“, erklärt Dr. Boss. Deshalb verfolgt die Erlanger Antikensammlung ein anderes Ziel. Dort finden nicht nur Führungen statt, sondern auch Seminare der Studierenden. Eigentlich ist die Antikensammlung eine Werkstatt, denn die Studenten der Archäologie bauen auch selber Modelle, denn nur so lernt man das Handwerk und seine Arbeit richtig kennen. Dieser handwerkliche Aspekt wird am Institut für Klassische Archäologie in Erlangen sehr ernst genommen und ist auch ein Alleinstellungsmerkmal, denn nirgendwo sonst wird er so aktiv betrieben wie hier.
Wie kamen die Objekte an die FAU?
Natürlich stellt sich auch die Frage, wie die zahlreichen Objekte und Originale an die FAU gekommen sind. Viele davon wurden selber erworben oder sind als Schenkungen von Stiftungen hierher gelangt. Dr. Boss steht dem Kunstmarkt sehr skeptisch gegenüber, denn man kann nie sicher sein, auf welche Art und Weise die Objekte erworben und weiterverkauft wurden. So sind beispielsweise auch die Vasen aus der Mittelmeerregion über eine Stiftung in die Sammlung gelangt.
Je älter, desto bedeutender? Mitnichten.
Meistens ist man der Auffassung, je älter ein Gegenstand ist, desto wertvoller und bedeutender muss er sein. Ich muss zugeben, dass auch ich dieser Annahme erlegen war, aber im Verlauf der Führung stellte sich heraus, dass das Alter kein Selbstzweck ist, denn ein Objekt soll in erster Linie philosophisch relevante Fragestellungen bedienen: „Wir haben keine Verbindung mehr zur Antike, aber wir stehen auf ihren Schultern. Das ist unser historisch kulturelles Gedächtnis. Geschichte ist die einzige Analogie, die wir haben, um unser eigenes Handeln zu beurteilen. Das ist der Sinn der Archäologie.“
Es geht voran in der Kunstgeschichte
An einem Beispiel macht Dr. Boss seine Aussage konkreter: Auf einer Vase, die mit blümchenähnlichen Rosetten verziert ist, deutet er auf eine davon, in die ein frontales Gesicht gemalt ist, ähnlich einer Karikatur. Dieses Gesicht ist ein Anhaltspunkt dafür, wie es in der Kunstgeschichte voran geht. Damals wurden Gesichter nur im Profil abgebildet und dieses Beispiel könnte ein selbstreflexives Experiment des Künstlers gewesen sein, der versucht hat, ein Gesicht erstmalig von vorne zu zeichnen. Für damalige Verhältnisse ein originärer Ansatz.
Zweimal in der Woche gibt es Führungen
Das ist nur eine Anregung für die sehenswerten Objekte und die Berichte dahinter. Deshalb wird allen eine solche Führung durch die Antikensammlung mit Dr. Boss, dessen Fundus an Geschichten nahezu unerschöpflich und aufschlussreich ist, nahegelegt. Während des Semesters kann die Sammlung Dienstag bis Donnerstag von 14-17 Uhr besichtigt werden und Führungen einfach per Mail anfragen. Beides kostet nichts und ist sehr empfehlenswert.
Auch die Homepage der Antikensammlung ist einen Klick wert, die übrigens noch vor der offiziellen FAU-Homepage online gegangen ist. Dort kann man einen virtuellen Rundgang durch die Sammlung machen, die historische Fotosammlung begutachten und die neuesten Forschungsergebnisse nachlesen. Mit Accounts auf diversen Social Media Plattformen wie Facebook, Twitter, Iconosquare, Instagram und Pinterest hat die Klassische Archäologie der FAU ebenfalls ihren Finger am Puls der Zeit.