Am 5. August beginnen die Olympischen Spiele in Rio de Janeiro. FAU-Studentin Nadja Pries hat sich für einen Startplatz für das BMX-Race qualifiziert. BMX (Bicycle Motocross) ist seit den Spielen in Peking 2008 olympische Disziplin. Auf 20-Zoll großen Rädern fahren jeweils acht Wettkämpfer von einer Acht-Meter-Rampe hinunter, treten schnell in die Pedale und vollführen wahnwitzige Sprünge über Hügel, um als erste im Ziel anzukommen. Im Interview erzählt die 22-jährige Olympia-Starterin Nadja Pries, was sie an BMX-Race so fasziniert und wie sie mit den Gefahren des Sports umgeht.
Nadja, du trittst bei den Olympischen Spielen in Rio als erste Frau an, die für Deutschland bei den BMX-Wettbewerben startet – Herzlichen Glückwunsch! Was ist das für ein Gefühl?
Nadja: Für mich persönlich bedeutet es nicht viel, ob ich die erste oder fünfte Frau bin, die bei Olympia startet. Aber für Mädchen in Deutschland bin ich so ein größeres Vorbild, zu dem sie aufschauen. Die Olympischen Spiele sind für jeden Sportler das ganz große Ziel, das man immer vor Augen hat. Ich wusste, dass ich mich qualifizieren kann. Und obwohl ich noch relativ jung bin und 2020 bei den nächsten Spielen nochmal eine Chance gehabt hätte, war es eine riesige Erleichterung, dass es geklappt hat.
Wie bereitest du dich gerade auf Rio vor?
Nadja: Normalerweise habe ich am Wochenende immer Rennen, die sind in den Wochen vor Olympia weniger. Am 30. Juli fliege ich mit dem BMX-Nationalteam ins Trainingslager nach Florida für zwei Wochen. Am 13. August geht es dann nach Rio. Hier trainiere ich dann nicht mehr so intensiv, es geht vor allem darum, sich einzuleben.
Du bist nicht nur Teil des deutschen Kaders, sondern studierst auch an der FAU Psychologie. Wie bekommst du dieses lernintensive Fach mit dem Training unter einen Hut?
Nadja: Ich studiere in Teilzeit, sonst würde es nicht klappen. Im Wintersemester geht es, weil da keine Rennen stattfinden. Im Sommer aber ist es sehr voll. Ich bin von Donnerstag bis Sonntag immer unterwegs. Deshalb verpasse ich auch viele Vorlesungen und habe zudem keine Zeit, den Stoff nachzuholen. Jetzt schreibe ich eine Prüfung bevor ich fliege, eine wenn ich wiederkomme. Eine werde ich wegen Rio verpassen.
Das klingt nach sehr vollen und durchgeplanten Tagen. Leidet dein soziales Leben ein wenig unter den ganzen Trainings und dem Unizeug?
Nadja: Ja, schon… Ich treffe mich fast nie mit Freunden, ich bin froh, wenn ich es schaffe, meine Schulfreundinnen einmal im Monat zu sehen. Ich habe einen Freund und mit ihm verbringe ich den Großteil meiner wenigen freien Zeit. Ansonsten habe ich internationale Freunde, die ich auf den Turnieren treffe. Mit 16, 17, 18 steckt man in diesem Zwiespalt, wo man sich entscheiden muss: Was ist wichtiger – der Sport oder Freunde und Feiern? Ich habe mich ganz bewusst dafür entschieden, den Sport an die erste Stelle in meinem Leben zu setzen.
Wow, man merkt, dass dir das BMX-Fahren alles bedeutet. Wie bist du eigentlich auf diese eher ungewöhnliche Sportart gekommen?
Nadja: Ich habe einen drei Jahre älteren Bruder. Wir fahren schon unser Leben lang Fahrrad. Und da in unmittelbarer Nähe zu Spardorf, wo wir aufgewachsen sind, die BMX Bahn liegt, wollten wir das unbedingt mal ausprobieren.
Du hast Titel und Medaillen auf Deutschen, Europa- und Weltmeisterschaften erradelt. Ab welchem Zeitpunkt war für dich klar: Diesen Sport will ich professionell machen?
Nadja: Das kam relativ schleichend. Ich habe klein angefangen, dann fuhr ich irgendwann in größeren Ligen mit. Meine erste Weltmeisterschaft bin ich 2009 in Australien gefahren. Ich war Fünfte im Finale und ab da wusste ich, dass ich das weiterhin auf diesem hohen Niveau machen will.
Was fasziniert dich daran und welche Fähigkeiten brauchst du für das Fahren?
Nadja: Auf jeden Fall braucht man eine hohe Risikobereitschaft und man muss auch bisschen ein Adrenalinjunkie sein. Es ist eine Sprintsportart, unsere Rennen dauern gerade mal 40 Sekunden. Man braucht viel Kraft für den Antritt, muss sein Fahrrad beherrschen und die Technik ist ebenfalls ein wichtiger Faktor. Es ist also alles dabei. Außerdem ist jede Strecke anders, es gibt weltweit keine zwei gleichen Strecken. Deshalb muss ich mich immer wieder neu auf eine Bahn einstellen. Wie jeder Hochleistungssportler braucht man Disziplin, Leistungsbereitschaft und muss seinen Körper beherrschen können.
Du hast es gerade angesprochen: Beim BMX Race kommt es immer wieder zu Unfällen. Machst du dir darüber Gedanken, was alles passieren könnte?
Nadja: Ich hatte relativ viele Stürze in der der letzten Zeit. Im April in Argentinien stürzte ich so schwer, dass ich längere Zeit bewusstlos war. Aber das hatte auch sein Gutes, weil ich mich so nicht mehr daran erinnern kann. Beim Rennen schalte ich einfach den Kopf aus und denke an so etwas gar nicht. Solche Gedanken, was alles passieren könnte, ziehen die Unfälle nur an, denn dann läuft es auch schief. Ich glaube, das unterscheidet die Spitze von den anderen Fahrern: Sie haben keine Angst mehr oder können sie vollkommen unterdrücken.
Wie geht es deinen Eltern damit?
Nadja: Sie unterstützen mich voll und stehen hinter mir. Und sie sind auch stolz Sie sind damit aufgewachsen, weil ich seit ich sieben Jahre alt bin, BMX fahre. Meine Mutter hat gelernt, mit der Angst umzugehen. Mein Bruder fährt Downhill und da habe ich mehr Angst, dass es etwas passieren könnte, als sie.
Angenommen, du fährst weithin unfallfrei, was ich natürlich hoffe, – wie sehen deine Zukunftspläne aus? Möchtest du als Profisportler weiter Karriere machen?
Nadja: Ich möchte auf jeden Fall noch bis zu den nächsten Olympischen Spielen 2020 dabeibleiben. Ich glaube, ein gutes Alter aufzuhören ist, wenn man merkt, dass die Ziele immer weiter heruntergestuft werden müssen. Das ist dann nicht mehr befriedigend, wenn man nicht mehr wachsen und sich verbessern kann.
Vielen Dank Nadja für das Gespräch und viel Erfolg in Rio!
Nadja ist auf Facebook, in ihrem Blog und auf Instagram vertreten.